Ausstellung: Kai von Kröcher | Fake Records : Fiktives Vinyl
Galerie KungerKiez (Karl-Kunger-Str. 15, 12435 Berlin)
Seit ihrer Erfindung hat sich die Schallplatte vom schlichten Tonträger zu einem begehrten Kunstobjekt entwickelt. Steckten die Scheiben anfangs in einfachen, weißen Papierhüllen mit Albumtitel und Namen des Interpreten als maximaler Information, verpassten im Laufe der Jahre Designer, Art-Direktoren und Fotografen dem schwarzen Vinyl maßgeschneiderte Cover.
Wie aber hören sich Schallplatten an, die es nicht gibt? Kai von Kröcher kommt aus der Fotografie. In seiner Serie „Fake Records : Fiktives Vinyl“ untersucht er ironisch, ob Fotos willkürlich als Plattencover funktionieren. Dafür hat er sein Foto-Archiv nach brauchbaren Motiven durchforstet, die erst einmal so überhaupt nichts mit Sex & Drugs & Rock n Roll zu tun hatten. Nun kreierte er Bandnamen und Interpreten plus Albumtitel, die durch das tägliche Leben inspiriert sind: Zeitungsschlagzeilen, Fernsehnachrichten, Zitate aus Vorabendserien, Wortfetzen in U-Bahn und auf der Straße, Politikerund Fußballerinterviews.
Entstanden ist eine Top 20 nicht existierender Billboard-Charts, eine wunderliche Hitparade, die Fragen aufwirft: Was macht eine Veröffentlichung aus? Was transportiert die Verpackung? Was sagt ein Cover über den Inhalt? Gibt es Blaupausen für kommerziellen Erfolg? Was ist erlaubt – was sind die No-Gos? Und funktionieren Cover global, oder gibt es regionale Grenzen? Für „Fake Records : Fiktives Vinyl“ beschränkt Kai von Kröcher sich ausschließlich auf vorgeblich
deutsche Interpreten, wie ja auch seine Bilder sämtlichst im deutschsprachigen Raum entstanden sind. Eine abwegige Vorstellung, in Kröchers prosaische Fotografien könnten südamerikanischer Salsa, afrikanischer Voodoo oder knallbunter KPop verpackt sein.
Kai von Kröcher ist kein Grafikdesigner, seine Platten sind eher ein neugieriges Spiel mit Schriften, Farben und Formen, als dass sich eine ausgeklügelt konzipierte Marketingstrategie dahinter verberge. Zudem bringt er seine eigenen Erfahrungen mit: Mitgerissen von der Euphorie der damals ganz frischen Punkbewegung, gründete er 1978 mit vierzehn seine erste Band „Regenmantel“. Mit Anfang zwanzig war er Sänger der populärsten und hoffnungsvollsten New-Wave-Band seiner Heimatstadt Braunschweig, „La Petite Mort“. Nur knapp schrammten sie seinerzeit an einem Plattenvertrag vorbei. Als die
Gruppe sich auflöste, ging er kurz vor dem Mauerfall nach West-Berlin – arbeitete zunächst bei einem Privatradiosender als Redakteur, bevor er schließlich die Fotografie als seine Sprache entdeckte.
Kröchers Bildern wohnt oft ein Hauch von Melancholie inne. Sein Misstrauen gegenüber der Welt formuliert er ironisch und voller Nachsicht. Gesellschaftliche Themen deutet er beiläufig an, harsche Sozialkritik sucht man vergebens. Die Galerie Kungerkiez präsentiert die Serie in 46 x 46 cm großen Exponaten auf Karton, das Originalmaß eines Longplayers somit deutlich überhöhend – „Fake Records : Fiktives Vinyl“ sind reine Attrappen.
Ausstellung: 7. Februar bis 1. März 2025, Donnerstag bis Sonntag von 15 bis 19 Uhr und nach Vereinbarung. Eintritt frei.
Vernissage: 7. Februar, 19 Uhr
Finissage: 1. März, 18 Uhr